Der Skandal der Skandale by Manfred Lütz

Der Skandal der Skandale by Manfred Lütz

Autor:Manfred Lütz
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag Herder
veröffentlicht: 2018-01-25T16:00:00+00:00


2. Hexenglaube im Mittelalter – Regino von Prüm: »Wahnvorstellungen«

Hexenglaube ist so alt wie die Menschheit. Schon im Gesetzbuch Hammurabis (1792–1750 v. Chr.) gilt Schadenszauber als strafbar. Auch im römischen Recht galt er als Delikt, das in der Spätantike sogar mit dem Tod bestraft werden konnte. Noch bis in die Neuzeit hinein ging man allgemein davon aus, dass man Menschen durch bösen Zauber schädigen könne. Doch das Christentum lehnte, getreu seinem Ansatz der Gewaltlosigkeit, eine Verfolgung oder gar Tötung ab und setzte von Anfang an auf Aufklärung und Umerziehung. Das hat die Forschung auch immer so gesehen. Selbst in der scharf antikatholischen »Geschichte der Hexenprozesse« von Soldan und Heppes aus dem 19. Jahrhundert liest man: »Der Gedanke einer kriminalrechtlichen Verfolgung abergläubischer Übungen war der Kirche ganz fremd.« Vielmehr erfolgte kirchlicherseits eine Buße, und diese Verfahrensweise blieb »ohne Zwang«, wie der amerikanische Historiker Richard Kieckhefer in seinem Buch »Magie im Mittelalter« schreibt. Wie andere Religionen auch glaubten die Christen an den Teufel, das personalisierte Böse, den Verführer, der aber keineswegs gottgleich war und der vor allem aus christlicher Sicht von Jesus Christus in Wirklichkeit längst überwunden ist. Das Neue Testament ist voll von Geschichten, in denen die Dämonen der Macht des Gottessohnes weichen müssen. Dennoch bleibt der Mensch, auch der Christ, nach christlicher Auffassung verführbar, er kann sich aus freiem Willen dem Bösen verschreiben. Von einem solchen Bündnis mit dem Teufel spricht schon Augustinus im 5. Jahrhundert, und er warnt davor. Damit hatte er allerdings im Grunde nur erklären wollen, wie Schadenszauber zustande komme. Einer neuen umfassenden Untersuchung zufolge sah Augustinus im seinerzeit allgemein für möglich gehaltenen Kontakt mit Dämonen die von Gott gewollte Ordnung unterlaufen und darum ein heidnisches und sündhaftes Tun, das dem Taufpakt widerspreche. Mit Hexenglauben und gar mit Hexenverfolgung hatten diese Überlegungen nicht das Geringste zu tun und sie wirkten auch nicht so. Letztlich hielt die Kirche Hexenglauben für heidnischen Humbug und für die Einbildung überreizter Gemüter. Die Kirchenversammlung von Paderborn erklärt im Jahre 785: »Wer vom Teufel verleitet nach heidnischem Glauben behauptet, dass es Hexen gibt … und sie auf dem Scheiterhaufen verbrennt …, wird mit dem Tode bestraft.« Regino von Prüm (um 840–915) formuliert klar in seinem berühmten »Canon episcopi«: »Es darf nicht übergangen werden, dass manche unselige Frauen von Vorspiegelungen der Dämonen und von Wahnvorstellungen verführt, nun glauben und von sich behaupten, dass sie in der Nacht mit der heidnischen Göttin Diana und einer unzähligen Menge von Frauen auf irgendwelchen Tieren reiten und viele Länder der Erde in stiller, tiefer, unheimlicher Nacht durchqueren.« Hier ist erstmals der Hexenflug bezeugt, der als eine Wahnvorstellung aufgefasst ist, nicht jedoch als Realität. Unter dem Einfluss des Regino von Prüm sprach fortan das Kirchenrecht von Irrglauben und verwies die nachtfahrenden Frauen in den Bereich der Fantasie. Im Grunde nahm die Kirche den Hexenglauben nicht wirklich ernst. Selbst ein Thomas von Aquin, der mit seinem umfassenden Intellekt alles wahrnahm, was die Menschen seiner Zeit bewegte, spricht zwar von Dämonenpakt, ja er macht sich sogar Gedanken über sexuelle Kontakte zwischen Menschen und Dämonen, aber er zieht keinerlei Folgerungen daraus.



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